Der 35. Kongress des European College of Neuropsychopharmacology wartete heute, am 17. Oktober 2022, mit einer ganzen Reihe von Symposien, Fortbildungs-Updates, Campfire-Sitzungen, Hot Topics und Poster Jam Sessions auf. In den Sessions ging es um Schizophrenie und depressive Störungen, um die Überwindung von Versorgungshindernissen und um den Umgang mit Behandlungsresistenz. Die Top Papers zur Bildgebung des Gehirns und zu Angststörungen wurden vorgestellt und in einer Sitzung zum Thema «Love Your Brain» wurden Strategien zur Überwindung von «Brain Fog» vorgestellt. Die heutigen Plenarvorträge befassten sich mit der Psychobiologie der Erschöpfung und gaben neue Einblicke in die Interaktionen zwischen Immunsystem und Gehirn. Lesen Sie im Beitrag eine Zusammenfassung der heutigen Highlights (Tag 3) dieses grossartigen, inspirierenden Montags in Wien.
Überwindung von Hindernissen zur Verbesserung der Patientenversorgung
- Sowohl Schizophrenie als auch depressive Störungen wirken sich, wenn sie unzureichend behandelt werden, nachteilig auf das tägliche Leben und die Zielsetzungen der Patienten aus.
- Die Bedeutung einer rechtzeitigen Diagnose und einer frühzeitigen Umsetzung von Behandlungsstrategien wurde vorgestellt,1,2 zusammen mit patienten- und arztbezogenen Gründen für therapeutische Trägheit.
- Strategien zur Überwindung von Hindernissen bei der Früherkennung und zur Förderung einer optimalen Versorgung wurden vorgeschlagen, die das Leben von Patienten mit depressiven Störungen und Schizophrenie verbessern sollen
«Ein Abbruch der antipsychotischen Behandlung ist bei weitem der stärkste Prädiktor für einen Rückfall bei Schizophrenie-Patienten und kann äusserst ernste psychosoziale Folgen mit sich ziehen.» – Professor Robin Emsley, Kapstadt, Südafrika.
Schizophrenie und Depression an vorderster Front
In mehreren Sessions wurden die neurowissenschaftliche Forschung und die klinischen Herausforderungen bei Schizophrenie und Depression besprochen. Hier eine kurze Übersicht:
- Ein Überblick über die Biologie neuronaler Schaltkreise und über die Neuropharmakologie im Zusammenhang mit unmet needs bei Schizophrenie
- Kognitive Defizite bei schweren Depressionen in Verbindung mit Veränderungen im strukturellen Netzwerk des Gehirns
- Auswirkungen von Störungen des Immunsystems und des Metabolismus auf die Schaltkreise des Gehirns bei Depressionen
- Schliessung der translationalen Lücke zwischen präklinischer und klinischer Forschung, um neue Behandlungsmöglichkeiten bei Psychosen zu schaffen
- Ordnung in die Komplexität der behandlungsresistenten Depression bringen durch praktische Anleitungen für die Beurteilung der Patienten und der Wahl der am besten geeigneten Behandlung
«Menschen mit behandlungsresistenten Depressionen, die innerhalb der ersten zwei Wochen auf eine Augmentationsbehandlung ansprechen, zeigen anschliessend ein gutes Behandlungsergebnis.» – Professor Anthony Cleare, London, UK
Vielfältige Forschungsschwerpunkte
Die verschiedenen Symposien, Bildungs- und Campfire-Sitzungen, Hot Topics und Poster fokussierten auf vielfältige Forschungsergebnisse;
- Untersuchung der ökonomischen Last psychischer Erkrankungen sowie der Kosten im Zusammenhang mit körperlichen Komorbiditäten psychischer Erkrankungen.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf soziale Isolation und psychische Gesundheit.
- Kognitiven Folgen des Freizeitkonsums von Drogen und das Risiko von Psychosen, Depressionen und Suizidalität bei jungen Menschen.
- Genomische Studien zu psychotropen Medikamenten mit Einblicken in die molekularen Komponenten von klinischen Ergebnissen bei psychiatrischen Störungen.
Menschen mit psychischen Störungen weisen einen schlechteren Gesundheitszustand auf als die Allgemeinbevölkerung und laufen Gefahr, von der Arbeit ausgeschlossen zu werden und eine schlechte Arbeitsleistung zu erbringen, was erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat.
Ein Rising Star steigt aus den Flammen
Ein Highlight der zahlreichen aufschlussreichen Campfire-Sitzungen, die heute stattfanden, war die Diskussion über Komorbiditäten bei schweren Depressionen, die unter der Leitung von Dr. Liubov Kalinichenko stattfand, der mit einem Rising Star Award ausgezeichnet wurde. Die enge Verflechtung depressiver Störungen mit anderen psychiatrischen und peripheren Krankheitssymptomen erscheint als Folge mehrerer bidirektionaler Pfade mit einer gemeinsamen molekularen Basis.
Depressive Episoden mit Komorbiditäten wie Angstzustände, Substanzkonsumstörungen, kardiovaskuläre und metabolische Störungen führen zu einer schlechteren gesundheitlichen Lebensqualität und einer höheren Sterblichkeit.
Plenarvorträge – Burnout und das Zusammenspiel von Immunsystem und Gehirn
Professorin Marie Asberg, Gewinnerin des ECNP Neuropsychopharmacology Award 2022, stellte in ihrem Vortrag neue Erkenntnisse zur Psychobiologie der Erschöpfung dar. Als Expertin für Burnout beschrieb Professorin Asberg, wie anhaltender Stress zu Erschöpfungszuständen führt, die häufig mit Symptomen von Depression und Angst einhergehen.3
In seinem Plenarvortrag erklärte Dr. Jonathan Kipnis die komplexen Interaktionen zwischen Immunsystem und zentralem Nervensystem. Die mechanistische Untersuchung der Art der neuroimmunen Interaktionen zeigt weitreichende Implikationen, die von Autismus bis zur Alzheimer-Krankheit reichen.
- Emsley R et al. Symptom recurrence following intermittent treatment in first-episode schizophrenia successfully treated for 2 years: a 3-year open-label clinical study. J Clin Psychiatry 2012;73:e541–e547.
- Taylor RW, et al. Predictors of response to augmentation treatment in patients with treatment-resistant depression: A systematic review. J Psychopharmacol 2019;33: 1323–1339.
- Besèr A, et al. Construction and evaluation of a self-rating scale for stress-induced Exhaustion Disorder, the Karolinska Exhaustion Disorder Scale. Scand J Psychol. 2013;55(1):72–82.