Kann Musik emotionale Zentren im Gehirn aktivieren? Kann sie Empathie und Motivation begünstigen? Warum hören Menschen bewusst traurige Musik, wenn Traurigkeit grundsätzlich eine negative Emotion ist? Musik ist eine Form der Hirnstimulation, so der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Michael Trimble (London/UK). Das Hören trauriger Musik könne vielseitige, komplexe Emotionen auslösen. Schon Neugeborene reagieren auf Musik mitunter mit emotionalem Weinen. Erwachsene Menschen haben ihre Gefühle zwar stärker unter Kontrolle – Musik könne aber in jedem Alter emotionale Tränen hervorrufen.
Gesichts- und Emotionsausdruck lassen darauf schliessen, dass die Hauptfunktion des Weinens darin besteht, soziale Bindungen aufzubauen und gegenseitiges prosoziales Verhalten auszulösen. Die Forschung geht davon aus, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Produktion emotionaler Tränen und der Betreuungszeit des Nachwuchses, die beim Menschen länger ist als im Tierreich. Wer weint, ruft bei Anderen Hilfsbereitschaft hervor und zeigt Bedarf für soziale Unterstützung an 1. Die menschliche Fähigkeit, emotional zu weinen, ist laut Trimble die Basis für prosoziales Verhalten wie Empathie und Mitgefühl. Sowohl beim Weinen wie auch beim Hören von Musik sind emotionsverarbeitende Hirnareale involviert. In funktionellen Magnetresonanztomographie-(fMRI)-Untersuchungen wurde festgestellt, dass musikalische Stimuli nicht nur das Hörsystem um die Heschl´schen Querwindungen aktivieren, sondern auch die mediale Orbitofrontalregion und den Gyrus cinguli 2. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass dissonante Musik zu Aktivierungen im Bereich der Amygdala, des Hippocampus, des Parahippocampus und der Temporalpolen führt, also solchen Hirnregionen, denen eine Rolle an der Entstehung negativer Emotionen zugeschrieben wird 3. Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, dass das Hören von Musik keine einheitlichen Aktivierungsmuster im Gehirn hervorruft, sondern je nach der ausgelösten Emotion sehr unterschiedliche 3. Auch Liedertexte wirken fMRI-Studien zufolge unterschiedlich: Während textfreie fröhliche Musik stärkere positive Emotionen auslöst als solche mit Text, führt traurige Musik mit Text im Vergleich zu solcher ohne Text zu verstärkten Emotionen 4. Diese und künftige Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Musik und emotionaler Verarbeitung sind laut Trimble wichtig, um die Erfolge in der Musiktherapie, z.B. bei Depression, Demenz und posttraumatischen Belastungsstörungen, zu optimieren.