Die meisten klinischen Leitlinien und Algorithmen empfehlen eine antipsychotische Erhaltungstherapie bei Schizophrenie, doch manche gehen dazu über, das Absetzen von Antipsychotika und Strategien zur Dosisreduzierung in Betracht zu ziehen.1 Müssen Kliniker daher die antipsychotische Erhaltungstherapie überdenken? Diese Frage war Gegenstand einer anregenden Debatte zwischen zwei renommierten Experten auf der EPA 2022.
Kein Umdenken bei der antipsychotischen Erhaltungstherapie erforderlich
Eine landesweite 20-Jahres-Follow-up-Studie über den Abbruch einer antipsychotischen Behandlung bei 8719 Patienten mit einer ersten schizophrenen Episode in Finnland hat gezeigt, dass eine langfristige antipsychotische Behandlung mit einer erhöhten Überlebensrate verbunden ist und das Risiko eines Rezidivs nach dem Absetzen der antipsychotischen Behandlung in den ersten acht Jahren der Erkrankung nicht abnimmt2, so Professor John Kane, New York, USA.
Weitere Belege sprechen dafür, dass Kliniker die antipsychotische Erhaltungstherapie nicht überdenken müssen:
Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass 45% der Patienten, die Antipsychotika 12 Monate lang absetzen, kein Rezidiv erleiden,5 fügte Professor Kane hinzu.
Die aktuellen Erkenntnisse sprechen derzeit für eine antipsychotische Erhaltungstherapie bei Schizophrenie, sagte Professor Kane. Die Wissensgrundlage sollte jedoch ständig neu bewertet werden, und es sollte nach neuen Erkenntnissen gesucht werden, um beispielsweise diejenigen Patienten zu identifizieren, die keinen Krankheitsrückfall erleiden. Ausserdem ist jeder Patient anders, und bei jeder klinischen Entscheidung müssen die Risiken und Vorteile der Fortsetzung oder Absetzung der Medikation abgewogen werden.
Die Erhaltungstherapie mit Antipsychotika muss überdacht werden
Professor Wim Veling, Groningen, Niederlande, plädierte dafür, dass Kliniker die antipsychotische Erhaltungstherapie überdenken sollten. Er wies darauf hin, dass in der Realität die meisten Menschen ihre antipsychotische Medikation absetzen6 und dass gemäss seiner Erfahrung mit der gemeinsamen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) viele Patienten die antipsychotische Medikation wegen unerwünschter Wirkungen, wie z. B. Gewichtszunahme, absetzen möchten.
Zur Begründung führte er eine Studie an, die zeigt, dass eine Dosisreduzierung und das Absetzen von Antipsychotika in den frühen Stadien einer remittierten Psychose mit erster Episode im Vergleich zu einer Erhaltungstherapie bessere langfristige Genesungsraten aufweisen.7
Fazit
Mangels einer Live-Abstimmung gingen Professor Kane und Professor Veling die Argumente des jeweils anderen durch. Beide stimmten darin überein, dass die Evidenz zwar zeige, dass nicht jeder eine langfristige antipsychotische Erhaltungstherapie benötigt, dass sie aber auch keinen Hinweis darauf gebe, wer nach Absetzen der Therapie ein Rezidiv erleidet und wer nicht.
Professor Veling schlug vor, die Ergebnisse auf mehr als nur Rückfälle auszuweiten, und Professor Kane wies auf die Verschiedenartigkeit der Rückfälle hin, die von leicht bis fatal reichen.
Professor Kane wies auch darauf hin, dass einige der neueren Antipsychotika weniger unerwünschte Wirkungen hervorrufen und dass bei Absetzen der Medikamente psychosoziale und andere interventionelle Therapien fortgesetzt werden müssen.
Die Highlights des Symposiums, die unser Korrespondent hier zusammenfasst, sollen die präsentierten wissenschaftlichen Inhalte objektiv wiedergeben. Die auf dieser Seite geäusserten Ansichten und Meinungen stimmen nicht unbedingt mit denen von Lundbeck überein.
|