Was passiert bei Schizophrenie im Gehirn?

Bildgebungsverfahren im zentralen Nervensystem bei Schizophrenie-Patienten ("Neuroimaging") zeigen einen Volumenverlust in der grauen Substanz im Gehirn. Experten stellten am WCP 2021, anlässlich eines faszinierenden und modernen Symposiums, neue Erkenntnisse über Lokalisation und Fortschreiten dieser Hirnveränderungen vor und sprachen über deren Verhältnis zu normalen Alterungsprozessen sowie über die Auswirkungen von Antipsychotika der ersten und zweiten Generation.

font-family:"Calibri",sans-serif;mso-fareast-font-family:"Times New Roman";
mso-ansi-language:DE-CH;mso-fareast-language:DE-CH;mso-bidi-language:AR-SA">Lokalisation der Veränderungen der kortikalen grauen Substanz

Die Volumenreduktion in der grauen Substanz ist in den frühen Phasen der Schizophrenie am ausgeprägtesten und am weitesten ausgebreitet.

Viele Neuroimaging-Studien bestätigten den progressiven Verlust an kortikaler grauer Substanz bei Schizophrenie, erläuterte Professor Antonio Vita, Brescia, Italien. Diese Veränderungen sind im Gehirn nicht weit verbreitet, sondern beschränken sich auf spezifische Regionen. Professor Vita und seine Mitarbeiter beschrieben die Lokalisation in einer Meta-Analyse und Meta-Regression1 folgendermassen:

  • Die Volumenreduktion in der grauen Substanz ist in den frühen Schizophrenie-Stadien am stärksten ausgeprägt, am weitesten ausgebreitet und betrifft die frontale, temporale und parietale graue Substanz.
  • Im zeitlichen Verlauf ist die Verringerung des Gesamtvolumens der grauen Substanz am deutlichsten in der linken Hemisphäre und den oberen Temporalregionen feststellbar.

Mit fortschreitender Schizophrenie ist die Volumenabnahme in der grauen Substanz vor allem in der linken Hemisphäre und in den oberen Temporalregionen zu beobachten.

"Calibri",sans-serif;mso-fareast-font-family:"Times New Roman";mso-ansi-language:
DE-CH;mso-fareast-language:DE-CH;mso-bidi-language:AR-SA">Bei Personen mit einer ersten schizophrenen Episode beschränkt sich das Fortschreiten der Veränderungen in der grauen Substanz auf diejenigen Patienten mit einem ungünstigen Verlauf2, merkte Professor Vita an.

font-family:"Calibri",sans-serif;mso-fareast-font-family:"Times New Roman";
mso-ansi-language:DE-CH;mso-fareast-language:DE-CH;mso-bidi-language:AR-SA">Veränderungen im Gehirn vor dem Übergang zur Psychose

"Calibri",sans-serif;mso-fareast-font-family:"Times New Roman";mso-ansi-language:
DE-CH;mso-fareast-language:DE-CH;mso-bidi-language:AR-SA">Die Veränderungen im Gehirn gehen dem Übergang zur Psychose und der Behandlung mit Antipsychotika voraus, sagte Professorin Lynn DeLisi, Boston, MA, die ein Review und eine Meta-Analyse neuroanatomischer Korrelate von klinischem Hochrisiko (clinical high risk, CHR) für Psychosen und Prädiktoren für den Übergang vorstellte.

Personen im Übergang zu einer Psychose weisen weniger kortikale graue Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns auf.

Bei Personen mit klinischem Hochrisiko für Psychosen (CHR) war der Übergang zu einer Psychose mit einer Verringerung von grauer Substanz im rechten Temporallappen, im anterioren cingulären Cortex und im paracingulären Cortex assoziiert.3

Strukturelle Magnetresonanzbilder bei Schizophrenie-Patienten haben auch neurobiologisch unterschiedliche Subgruppen aufgedeckt. Das hat sich als nützlich erwiesen, um Massnahmen zu individualisieren4, so Professorin DeLisi. Wie diese Massnahmen aussehen und wann sie angewendet werden sollten, ist jedoch nicht klar. Die Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte besteht darin, Massnahmen zu entwickeln, die diese fortschreitenden Gehirnveränderungen verhindern.

font-family:"Calibri",sans-serif;mso-fareast-font-family:"Times New Roman";
mso-ansi-language:DE-CH;mso-fareast-language:DE-CH;mso-bidi-language:AR-SA">Die Auswirkungen von antipsychotischer Therapie und normaler Hirnalterung auf den Verlust an Hirnvolumen

Bei Patienten, die ausschliesslich mit Antipsychotika der zweiten Generation behandelt werden, ist eine höhere tägliche Antipsychotika-Einnahme mit einem verringerten Verlust an grauer Substanz assoziiert.

Zu den Faktoren, die den übermässigen Verlust an Hirnvolumen bei Schizophrenie beeinflussen, gehören die Therapie mit Antipsychotika der ersten gegenüber solchen der zweiten Generation sowie das normale Altern, erklärte Professor Vita. 

Im Vergleich mit einer gesunden Kontrollpopulation ist die kumulative Einnahme von mindestens einem Antipsychotikum der ersten Generation bei Schizophrenie-Patienten mit einem signifikant höheren Verlust an grauer Substanz (Gesamtvolumen) verbunden5.

Im Gegensatz dazu war eine höhere durchschnittliche Antipsychotika-Einnahme bei Patienten, die ausschliesslich mit einem Antipsychotikum der zweiten Generation behandelt wurden, mit einem weniger stark voranschreitenden Verlust von grauer Substanz verbunden6.

Der Einsatz von Antipsychotika der zweiten Generation könnte fortschreitende Gehirnveränderungen verhindern oder verlangsamen.

In Bezug auf das Hirnalter sei das festgestellte Alter des Gehirns bei Patienten mit beginnender Schizophrenie deutlich höher als das chronologische Alter (+3.36 Jahre)7. Dieser Unterschied zwischen chronologischem Hirnalter und dem Hirnalter bei Schizophrenie wird "Schizophrenia Brain Age Gap" genannt, sagte Professor Vita. Der Unterschied steigt, während der Nachbeobachtungen stetig an, aber ungefähr 5 Jahre nach Auftreten der Krankheit sinkt die Beschleunigung von 2.5 Jahren / Jahr (bei Krankheitsbeginn) ungefähr auf die normale Rate von 1 Jahr / Jahr7.

Zu den Massnahmen, die fortschreitende Hirnveränderungen bei Schizophrenie verhindern oder verlangsamen könnten, gehören ein frühzeitiges Eingreifen, eine kontinuierliche Behandlung, die Verhinderung von Rückfällen und der Einsatz von Antipsychotika der zweiten Generation, schloss Professor Vita.

References

  1. Vita A, et al. Progressive loss of cortical gray matter in schizophrenia: a meta-analysis and meta-regression of longitudinal MRI studies. Transl Psychiatry 2012;2(11):e190.
  2. Rosa PGP, et al. What determines continuing grey matter changes in first-episode schizophrenia and affective psychosis? Psychol Med 2015;45(4):817–828.
  3. Fortea A, et al. Cortical gray matter reduction precedes transition to psychosis in individuals at clinical high-risk for psychosis: A voxel-based meta-analysis. Schizophr Res 2021;232:98–106.
  4. Xiao Y, et al. Subtyping schizophrenia patients based on patterns of structural brain alterations. Schizophr Bull 2021 Sep 11;sbab110.doi: 10.1093/schbul/sbab110.
  5. Roiz-Santiañez R, et al. Brain structural effects of antipsychotic treatment in schizophrenia: a systematic review. Current Neuropharmacol 2015;13:422–434.
  6. Vita A, et al. The effect of antipsychotic treatment on cortical gray matter changes in schizophrenia: does the class matter? A meta-analysis and meta-regression of longitudinal magnetic resonance imaging studies. Biol Psychiatry 2015;78(6):403–412.
  7. Schnack H, et al. Accelerated brain aging in schizophrenia: a longitudinal pattern recognition study. Am J Psychiatry 2016;173(6):607–616.